Vom Hund bis zur Fledermaus

Beim Aerial Yoga hängen die Teilnehmenden von der Decke.
Warum sich dieser Yogastil lohnt.
(Quelle: Salzburger Nachrichten Spezial / aktiv & gesund, März 2023 - Tine May)

Oftmals beginnt und endet die Stunde im Kokon. So zumindest fühle es sich an, wenn man wie in einer Hängematte im Tuch liege und sich dieses nach oben hin schließe, sagt Petra Jedinger: „Man selbst sieht nicht hinaus und keiner sieht hinein. Für viele ein schönes und beruhigendes Gefühl." Die 45-Jährige arbeitet seit acht Jahren als Yogalehrerin. Sie hat sich auf eine ganz spezielle Yogatechnik spezialisiert: das Aerial Yoga. Von der Decke hängende Tücher werden bei diesem Yogastil verwendet, um einerseits den Körper bei bestimmten Übungen zu entlasten, andererseits um ganz neue Bewegungsspielräume zu eröffnen.

Ein ganz anderes Yoga
Wie so viele Yogastile handelt es sich um eine Neuinterpretation des mutmaßlich bis zu 5000 Jahre alten Yogas aus Indien, in diesem Fall um eine aus Amerika. Tatsächlich habe Aerial Yoga mit dem klassischen Yoga wenig zu tun, sagt Jedinger. Viele Übungen ähneln zwar denen, die sonst auf der Matte praktiziert werden - gestalten sich jedoch mit dem Tuch im Endeffekt völlig anders. Yogakenntnisse brauche es für einen Start ins Aerial Yoga daher nicht. „Sehr häufig macht das Tuch die Übung leichter", erklärt die Salzburgerin, „durch seinen Elasthananteil gibt es nach, so lässt sich gut damit arbeiten." Das Yogieren mittels Tuch biete jedoch ganz eigene Herausforderungen: „Man muss den eigenen Körper kontrollieren, das Tuch kontrollieren, sich auch einmal überwinden, dem Material ver-trauen."

Jedinger verwendet bei ihren Stunden in der Panzerhalle im Studio Sportssupport im Salzburger Stadtteil Taxham fünf Meter lange Tücher. Diese Länge sei insofern geeignet, als dass so der ganze Körper eines erwachsenen Menschen im Stoff Platz habe, sich regelrecht, wie in der anfänglichen Kokonhaltung, darin verstecken kann. Bei den wenigsten Übungen allerdings hänge man vollständig in der Luft. „Bei vielen Übungen liegen wir mit dem Rücken am Boden und haben ein Bein im Tuch", beschreibt die Yogalehrerin.

Das Tuch erlaubt Variationen
Auch den herabschauenden Hund - eine häufig ausgeführte Übung im Yoga, bei der von der stehenden Position aus die Handflächen zum Boden und in weiterer Folge nach vorn wandern, sodass der Rücken nach vorn gestreckt und das Gesäß nach hinten oben geschoben wird - könne man mithilfe des Tuchs vielfältig gestalten. „Hier beginnen wir erst ganz klassisch am Boden und aus der Position heraus können wir ein Bein anheben und in das Tuch geben", beschreibt Jedinger. „Bei einer anderen Variation des herabschauenden Hunds könnte man beispielsweise eine Hand lösen und nach oben zum Tuch greifen. Das öffnet den Schulter-gürtel und den Brustkorb."

Für die Fledermaus wiederum legt man sich in ein Tuch, zieht die Knie Richtung Brustkorb, nimmt dann den Kopf aus dem Tuch heraus und greift mit beiden Handflächen nach oben zum Tuch. In Folge beginnt man damit, die Beine nach oben zu strecken und mit gestreckten Beinen am Tuch entlang nach oben zu wandern. Der Körper hängt nun, wie bei einer ruhenden Fledermaus, nach unten. „Wir haben eine vollständige Körperspannung und -Streckung", erklärt Jedinger.

Voll im Hier und Jetzt
Die Arbeit mit dem Tuch verlange volle Konzentration von den Teilnehmenden, sagt Jedinger. „Von Kopf bis Fuß ist der ganze Körper eingespannt, um sich mit dem Tuch abzustimmen, das Gleichgewicht zu halten." Das habe einen positiven und dem Yogagedanken sehr entsprechenden Ne-beneffekt: Es falle leicht, im Hier und Jetzt zu sein, ja, sei geradezu unmöglich, noch über etwas anderes nachzudenken. Insgesamt sei Aerial Yoga sehr aktivierend, weshalb es ideal für den Morgen, aber nicht so ideal für den Abend sei: „Es kann sein, dass man nicht mehr gut schlafen kann, wenn man die Übungen spät noch praktiziert."

Geeignet sei der Yogastil grundsätzlich für alle Menschen, „eine gewisse Grundfitness schadet nicht, ist aber keine Voraussetzung". Nicht zu verwechseln sei Aerial Yoga mit Aerial Silk, einer Akrobatikform mit dem gleichen Tuch, wie es auch beim Aerial Yoga zur Anwendung kommt. „Bei uns geht es nicht um Zirkusakrobatik. Die Übungen sind nicht gefährüch und für An-fängerinnen und Anfänger gut geeignet", beruhigt Jedinger.

Ganzkörpertraining
Durch die vielfältigen Übungen und das Ausloten des Gleichgewichts handle es sich beim Aerial Yoga um ein Training für den ganzen Körper, sagt Jedinger. Auch die Beweglichkeit werde mit jeder Einheit auf sanfte Weise gefordert. „Viele meiner Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben mir schon gesagt, dass sie eine Aerial-Yoga-Einheit am Morgen den ganzen Tag über spüren, sich wacher und aktiver fühlen. Das empfinde ich auch so." Grundsätzlich sei Aerial Yoga für alle Altersgruppen geeignet. Allein Schwangere sollten vorsichtig mit der speziellen Yogaform wie auch mit Yoga allgemein sein.

Die Geschichte von Yoga und Aerial Yoga

Yoga stammt aus Indien
und wurde das erste Mal in den Veden vor etwa 3500 Jahren schriftlich erwähnt. Damals wurde von heiligen Männern geschrieben, die Atemübungen ausführen und meditieren. Doch auch deutlich ältere Abbildungen von Menschen in auch heute noch bekannten Yogapositionen sind stummes Zeugnis der Yogakultur. Diese Bilder sind teilweise bis zu 5000 Jahre alt.

Mit der New-Age-Bewegung
der 1960er- und 1970er-Jahre wurde Yoga in westlichen Metropolen bekannt. Ursprünglich eine Methode, um den Geist in Ruhe zu bringen und bereit zu machen für das Gebet, wird Yoga in der westlichen Welt vor allem aus zwei Gründen geschätzt: einerseits um die eigene Gesundheit und Fitness zu fördern, andererseits um sich mental zu stärken. Mehrfach wurde die gesundheitsfördernde Wirkung von Yoga bereits durch Studien belegt; so beispielsweise, dass damit Rücken- und Nackenbeschwerden reduziert und die allgemeine Stimmung verbessert werden kann. Wichtig ist allerdings, dass Yoga richtig ausgeführt wird, andernfalls kann es auch bei dieser Form der Bewegung zu Verletzungen kommen.

Heutzutage werden viele verschiedene Yogarichtungen
unterrichtet. Das Yin Yoga beispielsweise fokussiert ruhige, meist liegend und sitzend aus-geführte Körperhaltungen. Ashtanga Yoga wiederum gilt als dynamisch und kraftvoll. Aerial Yoga stammt aus New York und wurde vom Tänzer und Akrobaten Christopher Harrison erfunden. Für die Technik wird ein Tuch an der Decke befestigt. Schwierige Übungen werden mit diesem Tuch deutlich erleichtert, denn es wirkt als Stütze und hilft, den Körper zu dehnen und zu strecken.